Freiheit & Religion

Educated.jpg

Religionen und Religiosität als regulative Ideen wertzuschätzen, wie manche Philosophen dies tun, weil sie eine für das menschliche Zusammenleben notwendige Wertorientierung herstellen, ist ein waghalsiges Vorgehen. Denn nur ein Denken, das unmissverständlich alles infrage zu stellen wagt, ist frei und kann in einem offenen Diskurs überzeugen, d. h. philosophisch sein. Religionen stellen Gemeinschaft her, sie trösten, versöhnen und erklären die Welt und alles, was in ihr ist. Sie drehen sich argumentativ im Kreis und sind genügsam. Sie wollen so sein. Philosophisches Denken hingegen vereinzelt, es ist anmaßend, unbescheiden. Es beunruhigt, spottet und hinterfragt das Gegebene. Säkulare Bildung, so zeigt die Autobiografie von Tara Westover, ist ein Weg, die Welt des religiösen Zusammenhalts in kleinen Schritten zu verlassen. Es gibt Gewinn und Verlust für den, der seine religiöse Bindung aufgibt. Auf der Seite des Gewinns stehen die Klarheit des Denkens, die Kraft neuer Argumente und die Bedeutung des Augenblicks. Auf der anderen Seite stehen Einsamkeit, Untröstlichkeit und Nichtwissen. Die Erinnerungen Tara Westovers sind ein eindrucksvolles Beispiel für die Geschlossenheit religiösen Denkens und für den Preis, den derjenige zahlt, der sich für säkulare Bildung entscheidet.